Virtuelles Praxis-Erlebnis-Haus: Die beiden Geschäftspartner Marcus Reinert und Torsten Fell haben ein virtuelles Modell entwickelt, mit dem sie junge Menschen für technisch anspruchsvolle Berufe im Energiesektor begeistern wollen.
Besigheim. Die Energiewende ist ein überaus komplexes Thema. Im jetzt freigeschalteten „Energie Campus“, den Marcus Reinert, ein Besigheimer Trainer für virtuelle und erweiterte Realität, gemeinsam mit seinem im ostfriesischen Werdum ansässigen Geschäftspartner Torsten Fell entwickelt hat, wird die für Laien häufig unübersichtliche Materie anschaulich.
Dreidimensionale Lern- und Erlebniswelt
Internetnutzer klinken sich über einen Browser in den „Energie Campus“ ein und betreten dann eine dreidimensionale Lern- und Erlebniswelt, in der sie sich mit einem per Maus und Tastatur gelenkten Avatar bewegen. In einem Praxis-Erlebnis-Haus erfährt der Besucher, wie sich Wärmepumpe, Solarthermie und Photovoltaik sinnvoll nutzen lassen, wie sich aus Sonnenenergie Strom erzeugen lässt oder was bei der Nutzung von E-Mobilität zu beachten ist. Detaillierte Visualisierungen von Erdkollektoren, Pufferspeichern, Wärmetauschern oder Wall-Boxen machen die moderne Technologie im Energiesektor greif- und erfahrbar. Bis zu 50Nutzer können den „Energie Campus“ gleichzeitig betreten und auch untereinander kommunizieren.
Mit VR-Brille in die 3D-Welt eintauchen
Noch realistischer wird die 3D-Welt, wenn der Besucher eine VR-Brille trägt. Dann blickt der Nutzer unter Umständen urplötzlich in einen zehn Meter tiefen Abgrund, aus dem eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe Grundwasser aus dem Erdinneren nach oben befördert. „Wer Höhenangst hat, bekommt dann auch wirklich Angst“, sagt Fell.
Er sieht den „Energie Campus“ als geeignetes Mittel im Kampf gegen den Fachkräftemangel im Energiesektor an. Denn junge Leute seien ohnehin mit der digitalen Welt vertraut und erhielten so einfachen Zugang zu praxisorientiertem Lernen. In der Realität gebe es gar keine Möglichkeit, moderne Haustechnik wie Wärmepumpen kennenzulernen. „Beim Kunden ist das bereits verbaut, und auch in der Ausbildung steht solche Technik nicht zur Verfügung.“
Potenzielle Kunden: Schulen, Handwerk und Energieberater
Potenzielle Kunden sind Schüler, Lehrer, Bürger, Berufsschulen, Ausbilder und Auszubildende im Handwerk, Energieberater oder Unternehmen. Die Idee sei nicht zuletzt entstanden, weil er lange vergeblich versucht habe, bei Fachverlagen, Verbänden und Schulen für den Einsatz moderner Technologie bei der Nachwuchsrekrutierung zu werben, erzählt Fell. Vom fehlenden Interesse gefrustet, entwickelte er mit seinem Geschäftspartner Reinert eine eigene Lösung, die seiner Aussage nach in dieser Form bislang weltweit einmalig ist.
„Mit unserem Produkt verschmelzen wir den realen mit dem virtuellen Raum“, sagt Reinert. Der niederschwellige Zugang zum „Energie Campus“ ermögliche nicht zuletzt, „auch Menschen zu erreichen, die finanziell nicht unbedingt auf Rosen gebettet sind“.
Deutschland hinkt der Entwicklung hinterher
Allerdings lasse die Aufgeschlossenheit gegenüber der digitalen Technologie hierzulande zu wünschen übrig, meint Fell. In China etwa sei ein sogenanntes Metaverse-Komitee gegründet worden, um die Erschließung virtueller Welten voranzutreiben, alleine in Schanghai würden 100 Millionen Euro in das Metaverse investiert. Japan wolle bis 2025 sechs Städte komplett im virtuellen Raum nachbilden, und in Dubai solle das Metaverse 40000 neue Jobs generieren.
„Die Asiaten sind viel offener“, sagt Fell. „Wir hinken der Entwicklung wieder mal hinterher, dieses Mal komplett.“ In Deutschland nutzten dagegen derzeit gerade mal ein bis drei Prozent aller Unternehmen das Potenzial der virtuellen und erweiterten Realität. Die Folge: „Möglichkeiten, die eigentlich schon für alle da wären, liegen brach. Ich gehe davon aus, dass wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.“
Info: www.energiecampus.space
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